Interviewleitfaden entwickeln

Wie du einen gelungenen Leitfaden für ein qualitatives Interview entwickelst

Im Rahmen deiner wissenschaftlichen Arbeit möchtest du qualitative Interviews führen und analysieren? Du weißt nicht so recht wie du damit loslegen sollst und worauf es beim Leitfaden für die Interviews zu achten gilt? Ich möchte dir in diesem Beitrag gerne ein paar Tipps ans Herz legen, die wichtig sind, um einen gelungenen Leitfaden für deine Interviews zu entwickeln und zu spannenden Ergebnissen zu kommen.

Zu Beginn fragst du dich vielleicht, was überhaupt ein Interviewleitfaden ist. Bei einem Leitfaden handelt es sich um einen Fragekatalog für dein Interview. Dieser dient dir bei der Durchführung deiner Interviews als Orientierungshilfe und Gedächtnisstütze. Der Leitfaden enthält alle Themengebiete und Fragen, die für deine Forschungsfrage wichtig sind und die du in deinen Interviews beantwortet haben möchtest. (vgl. Stigler & Felbinger 2021: 129)

1. Wie setze ich einen Interviewleitfaden ein?

Der Interviewleitfaden soll dich beim Interview unterstützen, damit du keine Fragen vergisst und den Überblick behältst. Wichtig ist dabei jedoch, dass du den Leitfaden flexibel einsetzen solltest. Du darfst und sollst trotzdem Nachfragen stellen, die vielleicht nicht im Leitfaden stehen, wenn eine Interviewperson auf ein Thema eingeht, wo du gerne mehr wissen möchtest. Außerdem ist es auch kein Problem, wenn du die Reihenfolge der Fragen so anpasst, wie es gut in den Interviewfluss passt. Achte aber darauf, dass du alle Themen, die in deinem Leitfaden stehen und dir wichtig sind im Laufe des Interviews auch stellst.

2. Welche Gliederung sollte der Interviewleitfaden haben?

Es ist sehr empfehlenswert, den Interviewleitfaden in tabellarischer Form zu gestalten. Diese Gestaltung wird dir helfen, den Überblick über deine Fragen im Interview leichter zu behalten. Dazu gliederst du deine Fragen in zwei Spalten: (1) linke Spalte mit „Hauptfragen“ und (2) rechte Spalte mit „Subfragen“. Hauptfragen sind jene Fragen, die du im Interview unbedingt stellen möchtest. Diese formulierst du im Leitfaden am besten auch schon konkret aus, damit du dir dann im Interview leichter tust und sie immer möglichst ähnlich stellst. Subfragen sind Nachfragen die dann stellst, wenn du noch mehr zu einem Thema wissen möchtest. Du kannst sie in Form von Stichworten in deinen Leitfaden schreiben. Hier zeige ich dir eine Vorlage für deinen Leitfaden:

Hauptfragen Subfragen
Fragen, die du auf jeden Fall stellen möchtest Nachfragen, wenn es passt

3. Welche Informationen sind am Beginn des Interviews wichtig?

Zu Beginn des Interviews stellst du kurz die Ziele des Interviews vor (z.B. Thema) und bedankst dich bei deinen Interviewpersonen für die Teilnahme. Dann versuchst du eine angenehme Atmosphäre zu erzeugen und sie zur Offenheit zu ermutige. Sag deinen Interviewpersonen am besten, dass es keine richtigen und falschen Antworten gibt und sie einfach drauf los erzählen sollen. Wichtig ist es an dieser Stelle auch noch, dass du den Interviewpersonen versicherst, dass du auf die Anonymität ihrer Aussagen achtest. Schließlich klärst du noch ab, ob es für die Interviewpersonen ok ist, wenn du das Interview aufzeichnest.

4. Was ist eine geeignete Einstiegsfrage bzw. Eisbrecherfrage?

Starte das qualitative Interview mit einem Thema, zu dem die Personen einiges zu erzählen haben und das ihnen nicht schwerfällt oder heikel ist. Besonders gut eignen sich dabei Fragen, zum Tagesablauf der Interviewpersonen oder zu ihrem beruflichen Werdegang.

Jeder Themenbereich im Interviewleitfaden wird als „Dimension“ bezeichnet und erhält ein eigenes Kästchen in der Tabelle. In meine Vorlage für den Interviewleitfaden lautet Dimension 1 „Beruflicher Werdegang“. Es handelt sich dabei um ein Experteninterview mit einem Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde, den ich zu seinen Erfahrungen in der Arbeit mit Kindern im Zeitvergleich befragt habe.

Hauptfragen Subfragen
Dimension 1: Beruflicher Werdegang
  • Bitte beschreiben Sie zunächst Ihren beruflichen Werdegang.
  • Was waren die zentralen Motive für Sie Mediziner zu werden?
  • Ausbildungsweg?
  • Berufserfahrung, Dauer der beruflichen Tätigkeit?
  • Zusatzdiplome und Spezialisierungen?
  • Familiärer Bezug?
  • Begabungen, Interessen?

5. Wie gestalte ich die Themenblöcke im Interviewleitfaden?

Als nächstes fügst du in deinen Interviewleitfaden Blöcke mit den weiteren relevanten Themengebieten ein. Jedes Thema gilt als „Dimension“ und bekommt von dir einen Titel. In meiner Vorlage geht es in Dimension 2 um den persönlichen Gesundheitsbegriff des Befragte, Dimension 3 beschäftigt sich mit dessen PatientInnenkreis und Dimension 4 geht auf Krankheitsbilder im Zeitverlauf ein.

Die wichtigsten Themengebiete deines Interviews solltest du im zweiten Drittel des Leitfadens platzieren. Die Idee dahinter ist, dass die Interviewpersonen an dieser Stelle bereits aufgewärmt sind und freier und offener sprechen. Hier siehst du die Themenblöcke in der Vorlage des Interviewleitfadens:

Hauptfragen Subfragen
Dimension 2: Persönlicher Gesundheitsbegriff
  • Mit welchem Gesundheitskonzept arbeiten Sie?
  • Welchen Stellenwert hat Gesundheit für Sie persönlich?
  • Determinanten der Gesundheit
  • Persönlicher Lebensstil, Gesundheitsbewusstsein
Dimension 3: PatientInnenkreis
  • Bitte beschreiben Sie Ihren PatientInnenkreis.
  • Welche soziodemografischen Merkmale Weisen die Kinder bzw. Familien auf, die zu Ihnen kommen?
  • Größe des Patientenkreises/Einzugsgebiet
  • Durchschnittsalter der Patienten
  • Sozialen Schichten?
  • Migranten/Migrantinnen?
  • Veränderungen im Zeitverlauf?
Dimension 4: Krankheitsbilder im Zeitverlauf
  • Mit welchen Krankheitsbildern bzw. Beschwerden werden Sie in Ihrem Berufsalltag am häufigsten konfrontiert?
  • Können Sie bzgl. Krankheitsbilder Veränderungen im Zeitverlauf wahrnehmen?
  • Zu- oder Abnahme bestimmter Bereiche?
  • Übergewicht/Adipositas?
  • Nahrungsmittel-unverträglichkeiten/Allergien?

6. Wie lange sollte ein Interviewleitfaden sein?

Im Idealfall sollte dein Interview mindestens 30 Minuten bis eine Stunde lang dauern. Je länger dein Interview, desto besser ist es, denn das zeigt, dass deine Interviewperson ausführlich und offen gesprochen hat. Um herauszufinden, ob die Länge deines Interviewleitfadens passend ist, solltest du einen Pretest durchführen. Ein Pretest ist ein Probeinterview, dass du vorab führst. Dabei kannst du herausfinden, ob alle Fragen verständlich sind und wie lange das Interview ungefähr dauern wird.

7. Welche Abschlussfrage eignet sich für mein qualitatives Interview?

Zum Schluss des Interviews kannst du deinen Befragten noch die Möglichkeit geben, etwas zu ergänzen, was sie zum Thema gerne sagen möchten. Dann bedankst du dich für die Teilnahme und Zeit und gibst eventuelle deine Kontaktdaten weiter, damit dich deine Befragten bei späteren Rückfragen erreichen könne. Nach der Feldphase kommt dann die Transkriptionsphase dran, das bedeutet das Verschriftlichen der Interviews. Im letzten Schritt startest du dann in die Analyse der qualitativen Daten zum Beispiel mittels sowie in die Ergebnisdarstellung. Meine Empfehlungen für diese Phasen gebe ich dir gerne in einem weiteren Blogbeitrag weiter!

Coaching Interviewleitfaden Entwicklung

Wenn du Fragen zur Entwicklung eines Interviewleitfadens hast oder individuelle Unterstützung benötigst, helfe ich dir sehr gerne in einem Einzelcoaching weiter. Schreib mir einfach unter: hannah.volk-jesussek@numiqo.com

Bis bald und schreib heiter weiter!

Alles Liebe,

Hannah Schreibflow

Quelle: Stigler, Hubert und Felbinger, Günter (2012): Der Interviewleitfaden im qualitativen Interview. In: Hubert Stigler und Hannelore Reicher (Hrsg.), Praxisbuch für Empirische Sozialforschung, Innsbruck/Wien/Bozen: StudienVerlag, S. 129-134.

Mein Angebot